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Das Thema Personalmangel ist ein schwieriges und langwieriges Thema in Hilden. Auch unsere Kommune bleibt vom Fachkräftemangel leider nicht verschont und so können jährlich zwischen 3 und 6 Vollzeitstellen in den 9 städtischen Einrichtungen nicht besetzt werden. Leider stehen dem Jugendhilfeausschuss nur die Personalstatistiken von den städtischen Kindertageseinrichtungen zur Verfügung. Auf die Personalstatistiken der freien Träger haben wir leider keinen zeitnahen Zugriff. Die Ausfallraten werden vom Jugendamt nicht dokumentiert bzw. stehen uns und dem Jugendhilfeausschuss nicht zur Verfügung. Das wollten wir ändern und haben einen Antrag ins Gremium eingebracht, der aber leider abgelehnt wurde. Dafür ist es uns möglich, mit Hilfe aller Elternbeiräte, ein genaueres Bild über die Ausfälle und Störtage im gesamten Stadtgebiet Hilden zu bekommen.
Die aktuelle personelle Situation in städtischen KiTas
Wir haben mit der Verwaltung vereinbart, dass wir die genaue Anzahl der Störtage, anhand unserer Aufzeichnungen, aktuell nicht veröffentlichen werden. Selbstverständlich werden wir aber unsere Erkenntnisse und Schlußfolgerungen, die wir daraus gezogen haben, in unsere Anträge und den Jugendhilfeausschuss einfließen lassen bzw. haben dies teilweise schon getan.
Die Verwaltung beschreibt die personelle Situation als kritisch, so dass Schwangerschaften (coronabedingt mit automatischem Beschäftigungsverbot), Elternzeiten und
Langzeiterkrankungen mit dem bestehenden Personal kaum noch kompensiert werden können. Auch der Familienbericht 2019, der von der lokalen Politik in Auftrag gegeben wurde, beschreibt die personelle Situation in Hildener Bildungseinrichtung als kritisch und verweist zudem auf eine sich zuspitzende Situation, da der Bedarf an Personal sich in den nächsten Jahren noch dramatisch erhöhen wird.
Dieser Einschätzung schließen wir uns an und wissen auch, was dies in der Realität für Kinder und Eltern bedeutet. Dennoch geschieht, unseres Erachtens, politisch zu wenig, um die Situation entscheidend zu verbessern. Von einigen Vorstößen und Anträgen einmal abgesehen, die jedoch entweder im Jugendhilfeausschuss oder im Rat der Stadt keine Mehrheit finden oder deren Auswirkungen wir (noch) nicht bemerken. (Beispielsweise ist hier Antrag "Personaloffensive KiTa" der Grünen zu nennen, den wir euch, zusammen mit allen anderen Anträgen, die uns relevant erscheinen, im Reiter "Zukunft mitgestalten", genauer vorstellen.)
Die Situation hat sich nicht entscheidend verbessert.
Zwar beschloss der Rat am 04.11.2020 die Schaffung von 10 Poolstellen im Bereich Kita, jedoch dürfen diese nur „kostenneutral“ besetzt werden [Erläuterung: Poolstellen werden für langfristige Bedarfe wie z.B. Elternzeitvertretungen angelegt]. Das empfinden wir als völlig unzureichend, zumal aktuell nur rund sieben Poolstellen besetzt werden dürfen und davon zwei Poolstellen im Moment noch nicht besetzt werden können.
Dabei wäre eine quantitative und damit bedingte qualitative Auswahl schlussendlich entscheidend, um die frühkindliche Bildung und Betreuung unserer Kinder nicht nur sicherzustellen, sondern letztendlich auch zu verbessern. Alles steht und fällt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ihrer Ausbildung, Qualifikation und Kompetenzen.
Unsere Ziele
Unser Ziel ist die Etablierung eines Personalschlüssels in Hilden, der wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht, wonach vollzeitbeschäftigte Fachkräfte höchstens für drei Kleinkinder oder 7,5 Kinder über drei Jahren zuständig sein dürfen. Derzeit liegt der Durchschnitt in NRW bei 1 zu 3,7 bei Krippenkindern und 1 zu 8,5 bei Kindergartenkindern. Das ist zu wenig um den Bildungsauftrag zu erfüllen.
Zum Vergleich der Kreis Mettmann und die Stadt Düsseldorf liegen hier bei 8,1 im KiTabereich, wobei auch ganz klar gesagt werden muss, dass beispielsweise die Städte Ratingen, Monheim und Düsseldorf keine Gebühren für die Betreuung von Ü3 Kindern verlangen, hier also mehr Geld aus dem allgemeinen Haushalt zur frühkindlichen Bildung zur Verfügung gestellt wird bzw. diese Kommunen durch den Wegfall der Betreuungsgebühren weniger entlastet werden. Wuppertal liegt bei 8,0 und Solingen sogar bei 7,7.
Natürlich liegt das Hauptaugenmerk hier auf dem Land, aber selbstverständlich kann, darf und muss auch die lokale Politik in dieses Missverhältnis eingreifen und Änderungen anstreben. Sie ist deshalb nicht aus der Verantwortung entlassen, das Optimum für die jüngsten Bürger anzustreben und zu erreichen, zumal dann nicht, wenn man sich Familienfreundlichkeit auf die Fahnen schreibt und zu einem Kernthema im Wahlkampf macht.
Selbstverständlich wird das zusätzliches Geld kosten. Selbstverständlich muss auch das Jobprofil attraktiver gestalten werden, da schon jetzt nicht alle Stellen besetzt werden können. Der Fokus darf aber nicht nur auf der Sanierung des Haushalts liegen, deren Dringlichkeit wir nicht erkennen können, sondern auch und hauptsächlich auf die Schaffung und Optimierung von Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder, da sie die Zukunft dieser Stadt darstellen. Hier sollten sich unseres Erachtens schnellstmöglich die Prioritäten ändern.
Es sollte auch nicht verschwiegen werden, dass die aktuelle Situation nicht nur bildungstechnisch und betreuungstechnisch schwierig erscheint, sondern der Stadt zusätzlich auch noch Geld kostet. Die Stadt musste in 2019/2020 ca. 25000 Euro an das Land zurückzahlen, da die Mindestbesetzung an städtischen KiTas unterschritten wurde. Dieses Ereignis wird auch für die Kindergartenjahre 2020/2021 und 2021/2022 erwartet.
Darüber hinaus können derzeit keine Personalressourcen für die Inanspruchnahme der Basisleistungen bei Kindern mit festgestellter Behinderung vorgehalten werden.
Die Ausfälle in der Coronakrise und was sich daraus folgern lässt
Insbesondere die Corona-Krise deckte und deckt weiterhin viele Schwachstellen auf, was nicht zuletzt die vielen Störtage in unserer Stadt aufzeigen, an denen Kinder nicht betreut werden konnten oder früher abgeholt werden mussten mit allen damit zusammenhängenden Folgen für Eltern und Kinder.
Mit Hilfe der Elternbeiräte war es uns möglich, ein Bild von den Ausfällen in diesem Kitajahr 2021/2022 zu bekommen und diese in eine Statistik einfließen zu lassen, die uns helfen soll, Missstände schnell aufzuzeigen und anzugehen.
So haben wir als erste Maßnahmen angeregt, dass das Jugendamt ein Kennzahlensystem einführen soll, welches Aufschluss über die Qualität und Quantität der Kinderbetreuung in Hilden gibt und auch die Erfassung der Ausfälle und Störtage umfasst, was aktuell nicht der Fall ist. In einem weiteren Antrag fordern wir, dass den KiTas ein Projekt nach Wahl bewilligt wird, die von den Ausfällen besonders betroffen sind, so dass den betroffenen Kindern schnell und unbürokratisch eine zusätzliche Perspektive geboten werden kann. Es sind nicht alle Kindertageseinrichtungen gleichermaßen von den massiven Ausfällen betroffen, was wir und viele Eltern als soziale sowie bildungs- und bindungstechnischen Ungerechtigkeit empfinden. Unsere Anträge findet ihr im Reiter "Zukunft mitgestalten". Hier könnt und werdet ihr auch sehen können, wie das Abstimmungsverhalten der Parteien zu bewerten ist.
Außerdem haben wir einen Brandbrief an alle Parteien und den Bürgermeister geschrieben. Das Antwortschreiben von Herrn Pommer und Herrn Eichner findet ihr unten auf dieser Seite.
Unseres Erachtens ist es unabdingbar erforderlich, dass schnellstmöglich eine Arbeitsgruppe aus Verwaltung, Politik, Eltern und pädagogischen Fachkräften gebildet wird, um dem Fachkräftemangel adäquat zu begegnen und die Betreuungssitutation in Hilden entscheidend zu verbessern, so dass sich Hilden nicht nur nicht wieder in einer Situation wiederfindet, in welcher Kinder nicht betreut werden können und das Betreuungspersonal an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht wird, sondern unsere Stadt auch fit für die Ansprüche einer familienfreundlichen Stadt der Gegenwart und der Zukunft macht.
Zu Bedenken wären hierbei insbesondere Konzepte, die stadtweit für alle Träger anzuwenden wären, wie beispielsweise:
- Mitarbeiter werben Mitarbeiter Prämien (freie Träger wie etwa die Kinderzentren Kunterbunt GmbH bieten hier beispielsweise Beträge bis 800 Euro an)
- zentrales (E-)Bikeleasing auch mit Einbindung und Hilfe von Unternehmen in unserer Umgebung wie etwa 3M und Qiagen, denn auch für Firmen ist eine hochwertige Betreuung sicherlich ein Kriterium für oder gegen den Standort Hilden und ein wichtiges Argument für die Bindung und/oder den Zuzug von Fachkräften.
- Zuschüsse zum Nahverkehr
- kostenlose Nutzung bestehender, städtischer Infrastruktur etwa des Hildorado.
- begünstigste Nutzung von Ladeinfrastruktur. Auch hier könnten wir uns beispielsweise eine Kooperation mit der Bäckerei Schüren vorstellen.
Zu beachten ist außerdem, dass auch unsere Nachbarkommunen beständig an neuen Konzepten arbeiten. So hat die Stadt Düsseldorf im März einen Maßnahmenkatalog angekündigt und möchte die Wichtigkeit von u.A. Mitarbeiterwerbung in den Fokus rücken. (siehe: RP Artikel vom 10.03.2022). Von der Strahlkraft von Gemeinden wie Monheim einmal ganz zu schweigen.
Es darf jedoch unter keinen Umständen einen Abfluss an Fachkräften geben. Das wäre fatal.
Kreiselternbeirat und Elternbefragungen als Reaktion auf die Krise
Wir werden weiterhin den Kontakt mit den Elternbeiräten pflegen, die Ausfallstatistiken abfragen und unser Netzwerk ausbauen. So werden wir die Daten mit unseren Nachbarstädten im Kreis vergleichen und einen transparenten Wettbewerb schaffen, der für die Kommunen im Kreis Mettmann und nicht zuletzt für unsere Heimatstadt nur gut sein kann. Dazu stehen wir in Kontakt mit den JAEB im Kreis und haben beispielsweise im April eine enge Zusammenarbeit mit dem JAEB Langenfeld vereinbart.
Wir stehen weiterhin in engem, konstruktiven und sehr freundlichen Kontakt mit der Verwaltung, die sicherlich ihr bestmögliches tut, um die Situation zu verbessern, aber auch das kann im Endeffekt nur gemeinsam verwirklicht werden. Politik, Verwaltung und Eltern müssen an einem Strang ziehen. Der politische Fokus darf nicht auf der Entlastung des Haushaltes liegen, wenn im Gegenzug Kinder nicht und schon gar nicht optimal betreut werden können. Es ist, aus unserer Sicht, auch nicht ausreichend, nur nach Düsseldorf zu verweisen. Auch die Politiker und Politkerinnen dieser Stadt müssen sich Ihrer Verantwortung bewusst werden und nach Lösungen suchen, da sich Hilden jetzt im aktiven Wettbewerb befindet.
Wenn wir realistisch und ehrlich sind, werden wir uns eingestehen müssen, dass uns der Fachkräftemangel noch eine ganze Zeit lang begleiten wird. Keines der bekannten Konzepte wird geeignet sein, für eine kurzfristige Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Es wird höchste Zeit, sich mit den Gegebenheit zu arrangieren und die richtigen Schlüsse auf kommunaler Ebene zu ziehen.